Duo Dietrich-Rinaldi

Freie Improvisation

Cordula Dietrich
Fagott, Kontrafagott, Kontrabassklarinette, div. Rohrblattinstrumente, Elektronik, E-Moog-Gitarre

Michelangelo Rinaldi
Klavier, Oboe, Akkordeon, Organetto


Kein wildes Durcheinander

"Nicht selten findet man die Meinung, freie Improvisation sei ein wildes Durcheinanderspielen ohne notwendige instrumentale und musikalische Vorkenntnisse und Vorstellungen. Diese falsche Meinung lässt ahnen, dass das freie Improvisieren ein Dilemma in sich trägt, wie es anspruchsvoller nicht sein könnte - die entstehende Musik "läuft nicht einfach so rein", sie erfordert vom Rezipienten ein erfahrenes, reflektiertes und ausdifferenziertes, möglicherweise aber auch nur ein offenes, unbefangenes Hörvermögen. "Freie" Improvisation heisst nämlich nicht, dass "willkürlich" gespielt wird, sondern dass der Spieler sich aus der engen formalen Bindung einer bestimmten Musikkultur hinausbegibt in das tiefe Bewusstsein universaler Klangwelten. Wenn Anton Bruckner und das Publikum noch in einer gemeinsamen musikalischen Sprache improvisierten und lauschten, dann trifft diese gemeinsame Sprachkenntnis auf die heutige Situation nicht mehr zu. Nicht die frei Improvisierte Musik ist ein wildes Durcheinanderspielen, sondern "es" spielt wild durcheinander in einer Welt, in der jeder Mensch medial mit jeder Klangwelt konfrontiert wird. Der frei Improvisierende dagegen schafft - gleich ob er "ausschweifend" oder "reduktionistisch" spielt (Wilson 1999), Ordnungen in diesen nahezu unendlichen Klangwelten, eigene kreative Ordnungen, die dem Zuhörer grundsätzlich nicht vertraut sein können. Das alles erschwert das Hören frei improvisierter Musik: man kann sich beim Hören nicht dauerhaft in eine vertraute Musiktradition fallen lassen. Dell beschreibt dies mit folgenden Worten: "Die Ordnung der Dinge, so wie sie bis ins 20. jahrhundert vorherrschend war, scheint vorüber zu sein. Ordnung wird nicht mehr durch (..) Vermittlungsinstanzen (...) bestimmt, sondern verortet sich in jedem gelebten Moment neu. (..) Provisorium ist der status quo an sich." (Dell 2002) bei der frei improvisierten Musik gibt es keine formale Instanz mehr, die Technik und "Richtigkeit" der so geschaffenen Musik beschreiben und tradieren könnte. Nicht nur der Spieler steht den Klangwelten des Bewusstseins autonom gegenüber, sondern auch der Hörer. Frei improvisierte Musik bedarf des mündigen Spielers und Hörers.“
Zitat Improvision Duisburg